Mein Name ist Sigrun Mittl; ich wurde1962 geboren, habe 1981 Abitur gemacht und mein Studium der Biologie begonnen.

Ausgestattet mit dem großen Latinum habe ich an der Uni Erlangen Botanik, Zoologie, Pflanzenphysiologie, Geologie, Pharmazeutische Biologie, anorganische und organische Chemie sowie Mikrobiologie studiert und 1989 mit der Note 1,3 mein Diplom erhalten. Schon während des Studiums habe ich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen eine Gutachterfirma für Landschaftsökologie gegründet und Pflege- und Entwicklungskonzepte für Naturschutzgebiete und wertvolle Landschaftsbereiche erstellt. Meine Arbeit als Naturschutzbiologin empfand ich nie als Arbeit, sondern als Berufung, die mich tief erfüllte. Mit 29 Jahren wurde mir die Leitung des Biosphärenreservates Bayerische Rhön angeboten, die ich aber aufgrund der Geburt meiner Tochter nicht annehmen wollte. 60 Std.-Woche und ein kleines Kind lassen sich nicht wirklich gut vereinbaren, wenn einem beides gleich wichtig ist. Obwohl ich alles erreicht hatte, was ich mir vorgenommen hatte, spürte ich eine innere Leere, die ich mir nicht erklären konnte. So machte ich mich auf den Weg, die Erklärung für dieses Gefühl zu suchen und begann, mich parallel zu meiner Arbeit mit Psychologie, östlichen und westlichen Weisheitslehren und Philosophie zu beschäftigen. Schwere Schicksalsschläge, die ich mein ganzes Leben hindurch hinnehmen musste, zwangen mich auch dazu, mich mit der Heilung von Posttraumatischen Belastungsstörungen zu befassen. Einige Jahre war ich auch Zen-Schülerin.
Im Lauf der Jahre wurde mir bewusst, dass ich überhaupt keine Ahnung davon hatte, was jenseits der „normalen“ Wissenschaft, die ich vermittelt bekommen habe, los war. Für mich hörte die Wissenschaft an der Grenze des Messbaren auf. Mir war auch nicht klar, dass die Wissenschaft selbst schon lange nicht mehr wirklich im Namen der Wahrheit forschte, sondern nur innerhalb des Weltbildes, das die Wissenschaftler/innen selbst im Laufe ihres Lebens erworben haben. Das Weltbild der meisten Menschen und auch der meisten Wissenschaftler/innen ist geprägt durch die Vorstellung, dass der Mensch und die Natur ausschließlich aus Materie bestehen und mehr oder weniger wie eine Maschine funktionieren und auch behandelt werden können. Dieses Weltbild ermöglicht es wohl auch, die Natur und das Wesen des Menschen mit allem zu vergiften, was der Giftschrank der Menschen so hergibt. Krieg gegen die Natur, Krieg gegen den Menschen, Krieg gegen Viren, Bakterien, Pilze, Boden und das Wasser. Was treibt uns an, das Lebendige zerstören zu wollen statt es zu achten und achtsam damit umzugehen? Diese Fragen treiben mich zusätzlich um und lassen mich oft verzweifeln. Dieses ganze Vorgehen ist unvernünftig und kein Ergebnis objektiver Wissenschaft, sondern Ausdruck eines zutiefst subjektiven und kranken Weltbildes und wohl auch eines kranken und traumatisierten Inneren.
Das Selbststudium der Psychologie und der Quantenphysik eröffnete mir eine ganz neue Welt. Energien, Felder und instantan stattfindende Ereignisse bauten eine Brücke zu dem Innen, das so lange leer und unbekannt geblieben war. Als Wissenschaftlerin konnte ich mit der „New Age“-Esoterik nicht viel anfangen, aber die Bücher der berühmten Physiker wie Bohm, Heisenberg, Dürr und Zeilinger, aber auch die Bücher von Meister Eckhart, Bruno, Schelling, Goethe, Gebser, C.G. Jung, Hesse, Graf Dürckheim, Steiner und Wilber zeigten mir, dass es nicht nur ein Außen gibt, sondern ein Innen – keine esoterische Spinnerei, sondern nachweisbar. Alles hat ein Außen und alles hat ein Innen. Und nicht nur das: jedes Wesen, auch der Mensch, ist nicht nur Flachland, sondern ein gestuftes, sich von unten nach oben erweiterndes Wesen, das aus Materie, Seele und Geist besteht. Jeder Wissenschaftler, der wahrhaft forscht, erkennt, dass es keine Trennung gibt zwischen Innen und Außen, zwischen Geist und Körper, zwischen Oben und Unten, zwischen Wissenschaft, Philosophie und Spiritualiät. Ich kam mir vor wie ein Kind, das ein Abenteuerland gefunden hatte, das ich erforschen wollte und seitdem erforsche – mit großer innerer Beglückung. Die Leere füllt sich mit Erkenntnis, und das ist für mich als Wissenschaftlerin und Mensch auf dem Weg der Individuation das größte Glück (mit allen Abgründen, die das Leben eben auch bereit hält). Kann es sein, dass wir alles Lebendige, auch uns selbst zerstören, weil wir uns gar nicht richtig kennen, unser wahres Sein noch gar nicht erfasst haben?
Rainer Maria Rilke hat es auch klar erkannt, gespürt und in wunderbare Worte gefasst:
Durch alle Wesen reicht der eine Raum:
Weltinnenraum. Die Vögel fliegen still
durch uns hindurch. O, der ich wachsen will,
ich seh hinaus, und in mir wächst der Baum.
Aus: Die Gedichte 1910 bis 1922 (München oder Irschenhausen, August/September 1914)
Weltinnenraum. Finde ich in diesem Innenraum die Antworten auf meine Fragen nach dem Sinn dieses Lebens, dieses Leides? Auf jeden Fall wurde mir klar: Wissenschaft ist alles, was Wissen schafft. Menschsein ist nicht nur Wissenschaftlerin sein, sondern Mensch werden.
Wie Rilke dichtete:
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
Meine Exkursionen führten mich nun nicht mehr nur in die Natur, sondern in die NATUR, in den GEIST, der in allem webt und lebt. Sie führten mich auch in eine Wissenschaft der Biologie, die weit über die „normale“ mechanistisch geprägte Biologie hinausführte und hineinführte in das Wesen der Biologie, in das Wesen des Lebens selbst. Wenn wir das Lebendige, also auch uns selbst, die Pflanzen, Tiere und die Natur als Ganzes studieren möchten, sollten wir einen Gedanken Goethes beherzigen, den er im Faust 1 dem Mephistopheles in den Mund legte:
Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
Dann hat er die Teile in seiner Hand,
Fehlt leider! nur das geistige Band.
Werden wir heil, wenn wir uns endlich als die wahrnehmen, die wir sind? Menschen auf dem Weg zum Menschen? Unterwegs auf der Jakobsleiter, die über den Regenbogen in den Himmel führt? Leben wir wirklich nur, um zu arbeiten und zu sterben? Ich glaube, wenn wir als Menschheit überleben wollen, wird es Zeit, uns unsere andere Hälfte, das Innen, zu erlauben; wird es Zeit, uns als Sphärenwesen zu begreifen, das von der Physiosphäre in die Biosphäre in die Psychosphäre in die Noosphäre bis in die Geistsphären reicht. Vielleicht können wir dann den Zwang, uns und die Natur zu vergiften und zu zerstören, loslassen. Dazu möchte ich beitragen. Goethes Faust haben wir noch lange nicht erfasst. Wir hören ihm zu, wir genießen das Schauspiel; ich möchte Sie anregen, nicht nur zu hören, sondern nach Innen, in Ihr Innen zu lauschen. Wie quälte sich Faust:
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor;
Er sucht und sucht, weder Geld noch Macht wird ihn erfüllen. Er hat ein anderes Begehr, nämlich:
Dass ich erkenne was die Welt Im Innersten zusammenhält.
Er ahnt, dass er mehr ist als nur Wissenschaftler oder Mensch, der nur lebt und stirbt, dass er eingewoben ist, Teil eines Ganzen oder besser Teil und Ganzes zugleich (Holon) und vielleicht noch eine andere Aufgabe zu erfüllen hat als Geld zu verdienen oder Macht anzuhäufen oder sich wertlos zu fühlen. Er ist wert, er ist wichtig, er macht den Unterschied – wie jede und jeder von uns!
Wie alles sich zum Ganzen webt,
Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen
Und sich die goldnen Eimer reichen!
Auf dieser Seite, Holon-Dialoge.de – Vom achtsamen Umgang mit dem Menschen, versuche ich, wissenschaftliche Tatsachen, die verlorengegangen sind, wieder ins Bewusstsein zu bringen; Inneres, das verlorengegangen ist, anzuleuchten; eine neue Weite zu schaffen, in die wir hineinwachsen können; andere Blickwinkel anzubieten – alles in dem Bemühen, die Zerstörung des Lebendigen beenden zu helfen.